Interaktionsdesign in der Software- und Web-Entwicklung

Matthias Müller-Prove. In: Medien- und IT-Berufe 2009

Medien- und IT-Berufe 2009: Ausbildung Weiterbildung Studium Berufsprofile in der Metropolregion Hamburg von A - Z
http://www.it-medien-hamburg.de/

Bei vergleichbarem Leistungsumfang und immer niedrigeren Preisen entscheidet sich der Kunde für das Produkt, das »besser aussieht« und besser zu bedienen ist. Der Einbau von Funktionen, die niemand braucht, führt hingegen zur »Featuritis«, gegen die das User-Centered Design eine wirksame Gegenmaßnahme darstellt. Die Erforschung des Anwendungskontextes der neu zu entwickelnden Software oder der Web-Site sorgt schon in den ersten Projektphasen für eine Lösung, die auf die Bedürfnisse der Anwender zugeschnitten ist. Ein besser bedienbares Produkt erhöht zudem die Kundenzufriedenheit und senkt die Servicekosten.
Die Gestaltung von Funktion und Layout ist im Entwicklungsteam die Aufgabe eines Interaktionsdesigners. Leider gibt es für diesen Berufsbild keine einheitliche Bezeichnung – so findet man unter anderem auch Konzepter, User Interface-Designer, Informationsarchitekt oder Usability-Consultant. Eine Auflistung aller Titel und Erklärung der Facetten würde den Umfang dieses Artikels übersteigen, so dass hier der Fokus auf Interaktionsdesign liegen soll.

IxD – was ist das?

Interaction-Design (IxD) ist eine verhältnismäßig etablierte Disziplin, die sich aus dem Industrie-Design und der Arbeitsergonomie herleitet. Mit dem Siegeszug des PC in den 1980er Jahren und der weltweiten Verbreitung des Internet in Form des World Wide Web ab Mitte der 1990er Jahre sind User Interface-Design für Software und Websites als wichtige Betätigungsfelder hinzu gekommen. Während Webbrowser immer ausgefeiltere Interaktionsmöglichkeiten bieten – Stichwort »Rich Internet Applications« (RIA) und »Asynchronous JavaScript and XML« (Ajax) – werden Computer immer kleiner und mobiler und erobern neue Bereiche, wie Navigationssysteme für Autos oder Organizer und Mobiltelefone. Multi-Touch und Beschleunigungssensoren sind Funktionsmerkmale der Geräte der neuesten Generation wie sie zum Beispiel im Apple iPhone oder der Spielekonsole Wii von Nintendo zu finden sind. Für all diese Systeme gilt es benutzbare und aufgabenangemessene Anwendungen zu entwickelt, deren Konzeption vom Interaktionsdesigner übernommen wird. Dabei ist die Beantwortung der folgenden drei Fragen zentral: Wie wird das System bedient? Wie wird es vom Anwender wahrgenommen? Und wie wird es verstanden?

Unter Bedienung fallen alle Elemente, mit denen das System beeinflusst werden kann; auf der Hardware-Seite sind das grafische Zeigegeräte und Tasten bzw. eine Tastatur zur Texteingabe, auf die man allerdings bei klassischen PCs kaum gestalterischen Einfluss hat. Seitens der Software sind die Möglichkeiten dafür um so größer – hier geht es um die Strukturierung der Menüführung und sonstiger Schalt- und Eingabemöglichkeiten, um das System zu manipulieren. Zustandsänderungen des Systems werden meist visuell dargestellt. Dabei sollten dem Anwender klar und ausreichend Informationen angeboten werden, damit er in der Nutzung des Systems fortfahren kann. Ein- und Ausgabegestaltung tragen maßgeblich zu dem Bild bei, welches sich ein Anwender vom System macht. Dieses Bild kann durch Metaphern beeinflusst werden, die sowohl beim Systemdesign, als auch bei der späteren Nutzung hilfreich sind, da man durch Analogieschlüsse eine intuitive Bedienbarkeit fördern kann. Als Beispiel sei hier die bekannte Schreibtischmetapher angeführt, die die kryptischen Kommanndozeilenschnittstellen früherer Computer abgelöst hat. Konsistenz, Erwartungskonformität und Selbsterklärungsfähigkeit sind Qualitätsmerkmale, die es dem Anwender erleichtern ein Benutzermodell zu erlernen, um das System effektiv und effizient zu bedienen.

Interaktionsdesign als Teil der Systementwicklung

Interaktionsdesigner müssen gute Team-Player sein. Sie verhandeln mit Auftraggebern und dem Management über den Funktionsumfang des zu entwickelnden Produkts. Dabei stützen sie sich auf die Ergebnisse des Requirements-Engineering und betreiben in kleineren Teams auch selbst Feldforschung, um den Anwendungskontext kennen zu lernen. Sobald die Aufgaben und Ziele der zukünftigen Anwender bekannt sind, erarbeiten sie ein Konzept und besprechen es mit den Entwicklern. Technische Kompetenz, Prozessverständnis, sowie gute Präsentationsfähigkeiten sind in dieser Phase von großem Vorteil. Zu den typischen Arbeitsergebnissen gehören Storyboards und Flussdiagramme zur schematischen Darstellung des Systemverhaltens, des weiteren Wireframes, Click-Dummies und (Flash-)Prototypen an denen Aspekte wie Layout, Beschriftung und das grafische Design erarbeitet und spezifiziert werden. Die Spezifikation ist dann auch das verbindliche Dokument für die Qualitätsabteilung gegen die das System geprüft wird.

Gute Gebrauchstauglichkeit (Usability) und Zugänglichkeit (Accessibility) lassen sich nicht nachträglich in ein Produkt »hinein testen«. Um so wichtiger ist es daher, dass Interaktionsdesigner früh im Entwicklungsprozess die Perspektive der Endanwender vertreten. Begleitende Usability-Evaluationen (Labortests oder heuristische Expertengutachten) können dabei wichtige Potentiale aufdecken wie das Produkt verbessert werden kann.

Wie wird man Interaktionsdesigner?

Es gibt kaum eigene Ausbildungsgänge zum Interaktionsdesigner. Auf die stark interdisziplinäre Tätigkeit bereitet man sich daher am besten vor, in dem man sich in einem Studienfach spezialisiert und die Kompetenzfelder der fehlenden Bereichen über ein Nebenfach abdeckt und per Selbststudium und die Teilnahme an Workshops oder Fachkonferenzen ergänzt. Die Informatik bietet neben dem softwaretechnischen Know-How auch eine Vertiefung in Mensch-Maschine Kommunikation an. Gestaltungsprinzipien bilden den Schwerpunkt eines Grafikdesign-Studiums und Kognitionswissenschaft oder Psychologie sind eher eine Grundlage für den Usability-Experten. In jedem Fall sollte man während des Studiums möglichst viele Menschen im Umgang mit Computer-Systemen beobachten und eigene Prototypen iterativ verbessern. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden sich als unschätzbar im späteren Berufsalltag darstellen und man hat der Gefahr vorgebeugt, sich selbst mit dem Zielpublikum zu verwechseln.

Die Hamburger IT-Szene ist recht vielfältig, so dass man von kleineren und mittelgroßen Web-Agenturen im Bereich Neue Medien, über e-Commerce, Banking, Community-Plattformen, bis hin zu weltweit agierenden Softwarefirmen in den Bereichen Desktop-Publishing, Content Management, Musik-Software und Games, Office-Productivity, Desktop-Virtualisierung, etc. alle Sparten antreffen kann. Neben dem Usability-Labor der HAW hat auch eine der größten deutschen Firmen, die sich auf Usability Consulting und User-Centered Design spezialisiert hat, ihren Hauptsitz in der Hansestadt. Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert von benutzbarer Software. Daher machen sie Interaktionsdesign und Usability zum integralen Bestandteil ihrer Produktentwicklung und tragen so zu einer guten User Experience ihrer Anwender und Kunden bei. Insbesondere die Möglichkeiten zum kreativen Problemlösen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik machen den Beruf des Interaktionsdesigners so faszinierend.

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