Matthias Müller-Prove In: Claus Pias, Wolfgang Coy (Hrsg.) Powerpoint
Gute Computerprogramme zeichnen sich dadurch aus, daß sie den Anwender bei seinen Tätigkeiten leiten und unterstützen. Sie sollen im Sinne der Gebrauchstauglichkeit aufgabenangemessen und zufriedenstellend sein. Präsentations-Software bildet da keine Ausnahme. Allerdings sind in diesem Bereich zwei sehr unterschiedliche Aufgabenkontexte zu betrachten: zum einen die Tätigkeit der Folienerstellung, die meist in einer intensiven Nutzungsphase zwischen Anwender und Programm stattfindet. Hier kommt es darauf an, dem Anwender flexible Werkzeuge anzubieten, mit denen er die Struktur konzipieren und die einzelnen Folien mit Texten und Illustrationen füllen kann. Die Verwendung von Templates und Stilvorlagen sorgt zudem für ein einheitliches Erscheinungsbild der Präsentation. Beim Vortrag vor dem Publikum sollte das Programm dann möglichst intuitiv bedienbar sein und den Vortragenden dezent mit zusätzlichen Informationen versorgen, wie zum Beispiel den Stichworten zur aktuellen Folie. Beide Aspekte tragen maßgeblich zum Gelingen – oder Mißlingen – eines Vortrags bei. Vielmehr noch, die Verwendung von Powerpoint oder vergleichbaren Programmen prägen den Stil des Vortrags, indem ihre Grundannahmen, Metaphern und stilistischen Voreinstellungen in die Gestaltung der Präsentation eingehen.
Der Raum der Möglichkeiten, der von dem Programm aufgespannt wird, ist für ungeübte Redner hilfreich, weil er sich an den Vorgaben orientieren kann und im Laufe der Zeit besser lernt mit dem Programm umzugehen. Es besteht jedoch auch die Gefahr, daß sich der Anwender zu sehr an das Programm anpaßt und sein Denken nur noch in Bahnen verläuft, die mit der Software einfach zu realisieren sind. Die Folge sind stereotype Vorträge, die weder dem Vortragsthema gerecht werden noch beim Publikum lange haften bleiben. Im Folgenden werden die vorherrschenden Rahmenbedingungen eines typischen Vortrags aufgezeigt.
Jemand soll einen Vortrag über ein bestimmtes Thema halten. Die beidseitige Erwartungshaltung von Vortragendem und Publikum ist eine Präsentation in Wort und Bild, die der Redner gerne erfüllt, da sie es ihm gestattet, seinem Vortrag eine sichtbare Struktur zu geben. Nach der Titelfolie folgt die Agenda des Vortrags, dann die verschiedenen Aussagen und zum Schluß eine Diskussion in Form von Frage und Antwort. Das Publikum erwartet zum besseren Verständnis ergänzende Schaubilder, mindestens aber die projizierten Kernthesen des Vortrags. Das typische Setting ist Notebook, Beamer, Leinwand, Redner – bei größeren Veranstaltungen: Redner mit Mikrofon – und das Publikum. Innerhalb dieser Eckdaten bewegen sich heute fast alle Präsentationen.
Betrachtet man die Vortragssituation etwas genauer, so gibt es diverse Umstände, die bereits den reibungslosen Auftakt einer Präsentation stören können. Es fängt beim Rednerpult an, das eine schräge Oberfläche besitzt, um einen optimalen Winkel zwischen dem Vortragsmanuskript und dem Gesichtsfeld des Vortragenden herzustellen. Für Notebooks sind sie nur bedingt geeignet, da bei der schrägen Ebene die Gefahr besteht, daß der Computer abgleitet und zu Boden fällt. Ist der Vortragende von der Stabilität des Pultes überzeugt, sucht er nach einer Steckdose, um dem Versagen der Akkus mitten im Vortrag vorzubeugen. Es folgt der Anschluß des Beamers und die Ansteuerung des nun offiziell zweiten Monitors; Kontrolle der Bildschirmauflösung und gegebenenfalls Korrektur der Einstellungen. Wenn die Präsentation nicht schon zuvor geöffnet wurde, sucht der Redner nun unter den Augen des Publikums das Dokument und weiß hoffentlich, wie die Präsentation zu starten ist. Alle diese Handlungen sind technischer Natur und stören die Konzentration des Redners. Selten erscheint der Vortragende bei der Lösung technischer Probleme souverän. Er ist sowieso schon in einer exponierten Lage, in der das Publikum sich insgeheim über den Vortragenden amüsiert.
Diese kurze Skizze verdeutlicht, wie abhängig wir uns von der Präsentationstechnik gemacht haben. Es wird nicht mehr hinterfragt, ob vielleicht andere Vortragsstile – etwa eine frei gehaltene Rede oder ein Vortrag an der Tafel – besser zum Thema und der Vortragssituation passen würde. Alle technischen Unwägbarkeiten werden in Kauf genommen, da man sich lieber auf das Standardwerkzeug verläßt, als zusätzlich zum Thema auch noch die Vortragssituation zu überdenken.
Die Geschichte der Präsentationsprogramme – hier auch unter dem Begriff »Slideware«1 zusammengefaßt – begann 1984 mit Robert Gaskins’ Geschäftsidee, Vortragsdias mit den damals neuen grafischen Benutzungsoberflächen der PCs zu gestalten. Zusammen mit dem Software-Architekten Dennis Austin entwickelte er die erste Version von Powerpoint, die im April 1987 für den Apple Macintosh erschien. Damit war es zunächst möglich, Overhead-Folien mit verschiedenen Zeichensätzen über einen Laserdrucker in schwarz-weiß auszugeben. Im August des Jahres verkaufte Gaskins Powerpoint an Microsoft und leitete fortan die »Graphics Business Unit«.2 Powerpoint 2.0 kam 1988 auf den Markt, gefolgt von der ersten Version für Windows zwei Jahre später. Neu war der Dia-Modus für farbige 35mm Dias. Die Daten wurden per Modem an ein Belichtungsstudio übermittelt, das am nächsten Tag den Satz Dias per Kurier zurückschickte. Ab 1992 war die Nachfolgeversion Powerpoint 3.0 dann in der Lage ein Videosignal zu erzeugen, um direkt einen Projektor anzusteuern. Neu eingeführt wurde auch der Multimedia-Mode für Animationen, Überblendungen und eingebettete Videos.3
Die drei Typen von Präsentationen – Overhead, Dia und Multimedia – entsprachen den drei üblichen Vortragsstilen der Zeit. Ein Overhead-Projektor wurde meist bei normalem Tageslicht eingesetzt und zeigte die transparenten DIN-A4-Folien, die entweder von Hand beschrieben oder vom Sekretariat der Firma mit einer Schreibmaschine vorbereitet waren. Bei den Lichtverhältnissen konnten sich die Teilnehmer sehen, Notizen machen und miteinander diskutieren. Im Gegensatz dazu mußte der Raum für Diavorträge abgedunkelt werden, deren Charakter formaler und aufwendiger war und daher eher für Verkaufspräsentationen gewählt wurde. Mit farbigen Bildern und negativ gesetztem Text versuchte der Vortragende – meist selbst im Dunkeln – das Publikum zu beeindrucken. Multimedia war schließlich der Begriff für eine Schau mit mehreren synchron geschalteten Diaprojektoren, die durch gegenseitige Überblendungseffekte sogar den Eindruck von Bewegung erzeugen konnten. War es beim Overhead-Projektor noch möglich auch mal eine Folie zu überspringen oder spontan nachzumalen, gab es diese Flexibilität bei Diavortrag und Multimediaschau nicht mehr. Im Diakarussell war die Reihenfolge der Dias genau vorgegeben; bei einer Multimedia-Schau war sogar alles auf die Sekunde genau festgelegt, da ein Tonbandgerät die verschiedenen Projektoren steuerte und die Schau mit Text und Musik unterlegte.
Seitdem der Projektor direkt von Powerpoint angesteuert werden konnte, verschwanden die Grenzen zwischen den drei Vortragsstilen. Erhalten geblieben ist der Begriff »Slide« (engl. für Dia); im Deutschen hingegen hat sich die Metapher der Overhead-Folie durchgesetzt.
Die heute übliche Ästhetik der Folien leitet sich ebenfalls aus der Geschichte Powerpoints ab, dessen Name schon anklingen läßt, daß Bullet-Listen – Aufzählungen mit Spiegelstrichen – die Vorgabe für Textfolien sind. Folglich sind die Standardelemente einer Folie eine Überschrift gefolgt von einer Liste der Aussagen, die sich auch in eingerückten Unterpunkten ergehen darf. Grafiken und Bilder können nach Belieben platziert werden. Mitgeliefert wird auch eine Reihe von Templates, die über Folienhintergrund, Zeichensatz und Farbe den Stil der Präsentation variieren. Anpassungen der Folien an den eigenen Geschmack oder an die Gestaltungsrichtlinien der Firma sind ebenfalls möglich. In jedem Fall besteht aber eine dominierende Präferenz für die Erstellung einer Bullet-orientierten Folienserie mit festgelegter Reihenfolge. Animationen auf den Folien und effektvolle Folienübergänge sollen die Aufmerksamkeit des Publikums erhöhen, und das »Einfliegen« einzelnen Bullet-Zeilen stellt eine Reminiszenz an das zeilenweise Aufdecken der Overhead-Folien dar, um ein Vorauslesen des Publikums zu verhindern.
Nach Erstellen der Präsentation wird während des Vortrags der Präsentationsmodus genutzt, um für das Auditorium ein Vollbild der Folien auf die Leinwand zu projizieren, sie zu besprechen und per Tastendruck zur nächsten Folie weiter zu schalten. Der Charakter der daraus resultierenden Vorträge gleicht oft einem Stakkato – rhetorische Akzentuierung der Aussagen findet nicht statt, da die Rede sich dem Takt den Folien unterordnet.
Die Grundzüge Powerpoints wären damit aufgeführt, das zum de facto Standard für Präsentations-Software geworden ist. Der Name wurde sogar zum Synonym für diese Art von Programmen, obwohl zum Beispiel mit OpenOffice.org Impress und Apple Keynote weitere Vertreter der Kategorie Slideware existieren.
In den folgenden drei Abschnitten wird aufgezeigt, welchen nachhaltigen Einfluß Präsentations-Software vor, während und nach der Präsentation ausübt und welche Potentiale sich daraus zur Weiterentwicklung der Programme ergeben.
Üblicherweise beginnt die Ausarbeitung eines Vortrags heute mit dem Anlegen eines neuen Präsentationsdokuments auf Basis eines Templates oder einer bestehenden Präsentation, gefolgt vom Füllen der Folien mit Texten und dem Einfügen einiger garnierender Bilder. Dieses Vorgehen wird von handelsüblicher Slideware begünstigt, da keine adäquaten Funktionen für die eigentliche Konzeptionsphase vorhanden sind. Zuerst sollte nämlich geklärt werden, welches die Aussage des Vortrags sein soll. Was will ich sagen? Wie kann ich meine Thesen strukturieren? Welche Illustrationen bieten sich an? Wer ist meine Zielgruppe? Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung? – Schnell wird diese Phase übersprungen und man findet sich mitten in der Folienerstellung, ohne ein genaues Bild von der Gesamtstruktur des Vortrags zu besitzen. Allenfalls bildet sich über die Zeit implizit eine Struktur, die sich in der Verteilung der Inhalte auf den Folien widerspiegelt. Das hat dann aber zur Folge, daß Vortrag und Folien die gleiche Aussage enthalten und sich der Vortragende zum simplen Vorleser degradiert. Die Dynamik des Vortrags wird den Folien untergeordnet und man beraubt sich der rhetorischen Möglichkeit, daß sich Rede und Bild ergänzen. Dem vorzuziehen wäre in der Vorbereitungsphase eine deutliche Trennung zwischen der Ausarbeitung der Inhalte und der Erstellung des Vortrags, der aus Gesprochenem und Projiziertem besteht.
Für die Konzeption der Inhalte sind flexible Programme wünschenswert, die den Anwender beim Erforschen seines Themengebietes unterstützen. In diese Kategorie fallen etwa MindMapping-Programme und Outliner, die auch generell beim Lernen gut eingesetzt werden können. Insbesondere auch Offline-Medien – wie beispielsweise Karteikarten oder Stift und Papier – bieten Freiheiten, die in der Konzeptionsphase gebraucht werden.
Bei der nachfolgenden Aufbereitung der Aussagen für den eigentlichen Vortrag sollte das Programm sowohl die Redevorbereitung als auch die Folienerstellung unterstützen. Dafür wären zwei synchron arbeitende Editoren notwendig, die einerseits die Rede mit Stichworten und Formulierungen in Form von Speakernotes stützen, und die andererseits – wie heute üblich – die Folien erstellen.
Man könnte meinen, daß der Outline-Modus (bzw. die Gliederungsansicht) in Powerpoint und vergleichbaren Präsentationsprogrammen schon gute Möglichkeiten bietet eine textuelle Hierarchie zu erstellen; allerdings ist der Outliner mit den Folien-Templates verknüpft und wird zum Füllen der Folien benutzt, statt damit die Speakernotes erfassen zu können. Mehr Flexibilität wäre hier vorteilhaft. Immerhin erlaubt ein zusätzliches Textfeld pro Folie das Eingeben entsprechender Stichworte. Die weitere Verwendung dieser Texte ist allerdings von Programm zu Programm verschieden, da sie nicht nur während des Vortrags für den Redner eingeblendet werden, sondern auch mit dem Handout ausgedruckt werden können!
Zusammenfassend ist zu sagen, daß heutige Programme dem Vortragenden in der Gestaltungsphase helfen – eine entsprechende Software-Unterstützung in der Konzeptionsphase ist hingegen nicht gegeben. Eine Integration von Lernwerkzeugen und Produktionswerkzeugen zum Erstellen von Dokumenten läßt ebenfalls noch auf sich warten.
Wie Eingangs beschrieben erwartet das Publikum heute einen multimedialen Vortrag mit Notebook, Beamer und Powerpoint. Sind die technischen Anschlüsse gelegt, beginnt die Schau des Vortrags mit der ersten Folie.
Lange Jahre war es üblich, daß der Vortragende auf dem Monitor seines Computer das gleiche Bild sah, wie das Publikum auf der Projektionsleinwand. Mittlerweile bieten hingegen alle Programme für den Redner eine spezielle Ansicht mit zusätzlichen Informationen. Neben der gerade gezeigten Folie ist das eine Vorschau auf die nächste; außerdem laufende Nummer und Titel der Folien, Uhrzeit, bereits verstrichene Zeit oder noch verfügbare Restzeit. Ein wichtiges Element ist der Bereich für die Notizen, das ähnlich einem Teleprompter oder Autocue-System die Stichworte zur aktuellen Folie einblendet.
Der Umgang mit diesen Zusatzinformationen ist kompliziert, insbesondere da sich der Vortragende in einer mentalen Ausnahmesituation befindet. Zu viele Informationen können seinen Stress noch steigern oder werden schlicht ignoriert. Deshalb ist bei der Gestaltung des Presenter-Screens in besonderem Maße auf Übersichtlichkeit und Sinnhaftigkeit der einzelnen Elemente zu achten. Weniger ist hier mehr.
Versierte Redner benutzen eine Fernsteuerung, um sich während des Vortrags auch mal vom Pult entfernen zu können. Für die Gesamtwirkung ist dieser Freiheitsgrad sicherlich zu begrüßen; allerdings sind die Fernbedienungen weder genormt noch intuitiv einfach zu erfassen, so daß die Komplexität der eingesetzten Technik nur noch weiter ansteigt.6 Fern vom Notebook ist auch der Presenter-Screen nicht mehr einzusehen. Große kommerzielle Veranstaltungen platzieren daher für den Redner weitere Monitore an den Rand der Bühne, auf denen die aktuelle Folie und die Notizen gezeigt werden.
Ein Handout war einmal eine Zusammenstellung der Kernthesen des Vortrags mit weiterführenden Informationen und Referenzen in Papierform, um die Diskussion im Publikum anzuregen und die Nachbereitung zu unterstützen. Daraus ist zu Zeiten der digitalen Präsentationsmedien eine Metapher für den Laserausdruck der Folien geworden. Die knappen Stichworte auf den Folien und mitunter auch die Notizen zu den Folien sollen dabei helfen sich später an den Vortrag zu erinnern. Häufig werden die Folien auch gleich als Powerpoint- oder PDF-Datei weitergegeben, wobei der Autor die Speakernotes zu den Folien noch entfernen sollte, da er sie im Allgemeinen nicht in Schriftform verbreitet sehen will. An dieser Stelle zeigt sich, daß erklärende Kommentare für das Publikum und Speakernotes zwei unterschiedliche Dinge sind, die von der Software auch getrennt behandelt werden sollten.
Stehen die Folien zum Beispiel auf einer Konferenz-Website, ist nicht mehr gewährleistet, daß der Leser der Folien beim Vortrag anwesend war. Das Live-Ereignis wird also quasi übersprungen und der Sinn muß aus den Folien rekonstruiert werden, ohne daß der Autor sie erklären könnte oder für Nachfragen zur Verfügung stünde. Eigentlich wäre für diesen Anwendungsfall eine Ausarbeitung als Text angebracht, deren Mehraufwand der Vortragende jedoch meist vermeidet. Er bevorzugt die Form, die ihm das Programm anbietet, und verbreitet entweder ein PDF-Dokument oder gleich die Powerpoint-Datei.
Präsentations-Software ist zum dominierenden Medium der Vortragskommunikation geworden. Um die Software dabei auch gewinnbringend einsetzen zu können, muß man sich die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten des Menschen vergegenwärtigen.
Präsentationen sind eine spezielle Form der Kommunikation, besonders effizient Informationen vom Vortragenden zum Publikum zu übertragen. Wenn dies gelingt, dann haben die Zuhörer nach dem Vortrag den gleichen Wissensstand wie der Vortragende, bzw. sie kennen seinen Standpunkt und können auf dieser Basis miteinander diskutieren. Das Halten einer Präsentation ist effizienter als eine Reihe von Einzelgesprächen, da vielen Zuhörern gleichzeitig die Informationen vorgetragen werden. Die didaktische Qualität des Vortrags entscheidet über dessen Effektivität, da der klärende Dialog zugunsten der 1-zu-n-Kommunikation entfällt. Daher muß das Wissen vom Vortragenden in eine Darstellungsform gebracht werden, die dem Thema gerecht wird und außerdem dem Publikum und dem Anlaß angemessen ist.
Dem typischen Aufbau eines Vortrags mit moderner Präsentationstechnik liegt die empirisch bestätigte Annahme zugrunde, daß eine multimodale Darstellung der Informationen besser aufgenommen werden kann, als es eine rein verbale oder bildliche Form je könnten. Erklären läßt sich dieses Phänomen mit dem Modell des »Arbeitsgedächtnisses«, das aus den vier Komponenten (1) zentrale Exekutive, (2) episodischer Puffer, (3) phonologische Schleife und (4) dem visuell-räumlichen Skizzenblock (visuo-spatial sketchpad) für die Auswertung visueller Informationen besteht.7 Während in der phonologischen Schleife verbale Informationen verstanden werden, geschieht dies parallel im visuellen Teil des Arbeitsgedächtnisses für Diagramme und Bilder. Die gleichzeitige Stimulation von Auge und Ohr führt folglich zu einer höheren Auslastung des menschlichen Gehirns, bei der sich die visuellen und auditiven Sinneseindrücke zu einer komplexen Vorstellung ergänzen, die leicht Assoziationen mit bereits vorhandenem Wissen eingehen kann und dadurch besser gemerkt wird. Die Aufnahmefähigkeit ist allerdings bei reinen Textfolien, die vom Vortragenden schlicht vorgelesen oder paraphrasiert werden, deutlich beeinträchtigt. Nach John Sweller8 wirkt sich dabei der Redundanz-Effekt negativ aus: gelesene und gleichzeitig gehörte Sprache interferieren miteinander in den visuellen und phonologischen Teilen des Arbeitsgedächtnisses. Der Vorteil der Multimodalität wird durch den notwendigen Abgleich der Informationen beider Quellen zunichte gemacht.
Also sind Wiederholungen im Sinne von Vorschau, Erklärung, Zusammenfassung und die Betrachtung des Themas unter verschiedenen Blickwinkeln gut geeignete rhetorische Elemente, um dem Publikum den Stoff zu präsentieren. Hingegen gilt es Redundanzen zwischen Rede und Textfolie zu vermeiden; die Folien sollten stattdessen die Rede illustrieren und mit kontrastierende Abbildungen den Aufnahme- und Lernprozeß unterstützen. Die folgenden Beispiele zeigen, daß Empfehlungen zur vermeintlich guten Foliengestaltung diese kognitiven Erkenntnisse kaum berücksichtigen.
Da Slideware den Anwender nur unzureichend bei der Vorbereitung eines Vortrags leitet, verwundert es nicht, daß eine wachsende Zahl von Magazinen und Fachbüchern den Weg zur besseren Präsentation weisen wollen. Leider sind die zahlreichen Empfehlungen oft nur von zweifelhafter Qualität. So besagt zum Beispiel die »1-7-7 Regel für Powerpoint«, daß man jeweils eine Idee pro Folie mit höchstens 7 Bullets zu maximal 7 Wörtern pro Zeile haben sollte. Andere Faustregeln fordern für Wörter mit mehr als 10 Buchstaben eine Bindestrichschreibweise.9 Tipps zur Wahl des richtigen Zeichensatzes, der optimalen Farbgebung und Animation der Objekte – nach der Devise »Animieren Sie Ihre Grafiken. Das prägt sich viel besser ein und ist spannend zu beobachten!« – gibt es zu Hauf. In diesem Zusammenhang darf die »10/20/30-Regel« von Guy Kawasaki nicht unerwähnt bleiben, da sie über einen erfrischenden Schuß Selbstironie verfügt.10
Die 10/20/30-Regel für die Präsentation von Businessplänen bei Risikokapitalgebern besagt, daß die Jungunternehmer höchstens 10 Folien in 20 Minuten bei 30 Punkt minimaler Zeichensatzgröße vortragen sollten. Er begründet das augenzwinkernd mit einem beschränkten Auffassungsvermögen des typischen Managers. Insbesondere Venture-Kapitalgeber seien mit 10 Aussagen pro Meeting gut ausgelastet. Die 20 Minuten erklärt Kawasaki mit widrigen Umständen bezüglich Technik und Publikum. Keine Präsentation kann pünktlich beginnen, da der Aufbau und Anschluß des Beamers immer länger dauert als erwartet, und außerdem kommt mindestens ein wichtiger Teilnehmer zu spät. Bei einem optimalen Verlauf eines auf eine Stunde angesetzten Meetings bleiben dann immer noch 40 Minuten für die Diskussion! Eine Schriftgröße ab 30 Punkt beschränkt zudem die Menge des Textes auf etwa 10 Zeilen pro Folie. Wenn der Vortragende mehr Platz zur Erklärung seines Geschäftsmodells benötigt, dann habe er wahrscheinlich gar kein Geschäftsmodell. Er sollte sich dann besser nochmal in Klausur begeben, um sein Konzept zu überarbeiten, bis es in 10/20/30 darzustellen ist.
Für gute Vorträge gibt es keine einfachen Rezepte. Vielmehr geht es um die Sensibilisierung des Vortragenden, sein Thema so mitreißend und überzeugend zu präsentieren, daß das Publikum aufmerksam und aktiv zuhört. Einer passiven Konsumentenhaltung kann nur entgegengewirkt werden, wenn Vortrag und Folien einander zu einer inspirierenden Einheit ergänzen. Unter dem Titel »Presentation Zen« gelingt es Garr Reynolds, seinen Lesern diese Sichtweise zu vermitteln.11 Mit vielen Beispielen für schlechte und gute Foliengestaltung zeigt er, welche verheerende Wirkung achtlos erstellte Foliensätze haben können. Textlastige Folien werden dabei durch emotionsgeladene vollformatige Bilder ersetzt und Diagramme von unnötigen grafischen Effekten befreit.12 Insgesamt ist ein Trend zum Minimalismus zu beobachten, dem sich auch Robert Gaskins als geistiger Urheber Powerpoints anschließt:13
[Most] contemporary presentations should return to formats nearly as spare as the old overhead transparencies. […] The only solution is for presenters to develop a better sense of what is appropriate. Audiences rarely complain about too little embellishment but are easily distracted and offended by too much. When in doubt, increase the quality and density of the content and reduce the level of decoration. The emphasis should be more matter with less art.
Eine Präsentation ist letztlich eine Vorstellung, die mit einer Theateraufführung vergleichbar ist. Vortragender, Vortrag und Präsentationsfolien entsprechen dem Schauspieler, dem Stück und dem Bühnenbild. Die Vorstellung kann nur dann überzeugen, wenn alle Teile in einer wohlkomponierten Gesamtheit auf das Publikum einwirken. So wird aus einem Einpersonenstück ein intelligentes Spiel, das die Zuschauer in einen aufmerksamen Zustand versetzt. Ebenso setzen Filmemacher auf die Emotionen der Zuschauer, und man kann überlegen, ob sich in diesen Künsten nicht bessere Metaphern für Fortentwicklungen von Slideware finden ließen: »Szene« statt »Slide« würde viel klarer machen, daß ein Vortrag aus verschiedenen Abschnitten aufgebaut ist, genau wie ein Theaterstück aus Akten. Die Einführung eines Drehbuches mit Regieanweisungen entsprechen Inhalt und Speakernotes. Ein »Storyboard« statt einer »Gliederungsansicht« für die visuellen Aspekte des Vortrags würde implizit klar machen, daß ein überzeugender Vortrag am besten in einer überzeugenden Geschichte erzählt werden sollte. Cliff Atkinson verfolgt genau diesen Ansatz, um dem Powerpoint-Nutzer ein neues mentales Modell für besser strukturierte Vorträge anzubieten.14
Ein Vergleich mit der Bildästhetik des Fernsehens drängt sich ebenfalls auf. Keine Fußballtabelle, die nicht vor einem dezent bewegten Hintergrund stünde. Keine Wahlberichterstattung, die ohne animierte Tortendiagramme zur Darstellung der Sitzverteilung auskäme. Und keine Katastrophensendung ohne Computeranimation zur Veranschaulichung des Unglücks. Es soll hier nicht vorgeschlagen werden, all diese Elemente unkritisch für Präsentationen zu übernehmen. Aber das Bewegtbildmedium TV hat eine eigene Sprache in Bezug auf gestalterische Elemente zur Steuerung der Aufmerksamkeit des Zuschauers entwickelt, da es sich nicht vom Dia, sondern vom Spielfilm herleitet. Technisch ist dies heute alles am Notebook zu realisieren; nur wird es nicht in Standard-Slideware angeboten.
Neben einer Live-Präsentation gibt es weitere Möglichkeiten einen Vortrag zu verbreiten. Schon genannt wurde das einfache Publizieren der Folien im Netz, die dann quasi für sich selbst sprechen müssen. Der Social-Web-Service SlideShare.net15 hat sich auf diese Art von Dokumenten spezialisiert und bietet seinen Anwendern insbesondere Tagging- und Kommentarfunktionen für alle dort eingestellten Präsentationen an.
Um auch die Rede zu bewahren, werden Veranstaltungen immer häufiger aufgezeichnet und als Audio- oder Video-Podcast online gestellt. Für kommerzielle Konferenzveranstalter stellt dies ein zusätzliches Marketinginstrument dar. Tagungsdokumentationen und Vorlesungsmitschnitte werden aber auch von immer mehr Hochschulen verbreitet, da der Aufwand für die Erstellung professionellen Bild- und Tonmaterials dank der Entwicklungen bei der Videobearbeitung am PC in vertretbare Dimensionen geraten ist.16 Die Folien spielen bei dieser Form der Verbreitung nur noch eine untergeordnete Rolle, da die Kamera zumeist auf den Redner gerichtet ist oder es bei Audiomitschnitten gar kein Bild gibt. Als Kompromiß bieten sich »Slidecasts« als Kombination aus Folienpräsentation und verbalem Vortrag an. Darunter ist eine synchrone Wiedergabe von Wort und Bild zu verstehen, die etwa mit der Funktion »Voice-Over Recording« in Apple Keynote zu realisieren ist. Andere Präsentationsformate lassen sich zu SlideShare.net hochladen, und dort nachträglich mit einer Tonspur versehen.
Positiv ist zu bemerken, daß die Rolle der Rezipienten bei sozialen Web-Diensten wichtiger wird. Einzelne Folien einer Präsentation können mit Kommentaren versehen werden, die für alle Nutzer des Systems sichtbar sind und somit die Möglichkeit zu einem Austausch über das Thema eröffnen.17 Sicherlich stellt das keinen adäquaten Ersatz zu einer Live-Diskussion dar, aber es werden immerhin die partizipativen Funktionen heutiger Web-Technologie eingesetzt, um den Zuschauer zu einer aktiven Teilnahme zu bewegen.
Powerpoint ist in den letzten 20 Jahren im geschäftlichen Umfeld und an Hochschulen zum dominierenden Präsentationsmedium geworden und hat alternative Vortragstechniken weitestgehend verdrängt. Der Einfluß auf die Diskussionskultur in Meetings und Workshops ist derart gravierend, daß man die entstandene Monokultur nur beklagen kann. Kann man dafür Powerpoint oder den Hersteller verantwortlich machen? Sicherlich nicht. Aber der Einsatz derartiger Slideware zieht fast zwangsläufig einen Vortragsstil nach sich, der nur einen geringen Teil des menschlichen Kommunikationsspektrums nutzt.
Für eine gute und vollständige Präsentation sind nacheinander die Phasen Konzeption, Gestaltung, Vortrag und Nachbereitung zu durchlaufen. Handelsübliche Präsentations-Software beschränkt sich immer noch auf die beiden mittleren Bereiche der Foliengestaltung und Projektion während des Vortrags. Für die Vorbereitung sowie die nachträgliche Dokumentation sind andere Werkzeuge bzw. Web-Services besser geeignet, die nicht Teil des Präsentationsprogramms sind. Es bleibt also dem Anwender überlassen, geeignete Werkzeuge für alle Phasen einer Vortragserstellung zu finden. Das setzt aber Kompetenz im Umgang mit dem Computer voraus, die im Allgemeinen nicht gelehrt wird und auf die beim Einsatz einer Präsentations-Software auch nicht hingewiesen wird.
Mit Hilfe von Powerpoint oder OpenOffice.org oder Keynote lassen sich gute Präsentationen erstellen. Voraussetzung dafür ist aber eine ständige Reflexion über den eigenen Vortragsstil und ein stetiges Praktizieren und Experimentieren mit neuen Elementen. So hat zum Beispiel der User Experience Experte Don Norman entdeckt, daß seine Lieblingsfolie komplett schwarz ist.18 Dann wird der Saal nämlich wieder erleuchtet, und es kann ein Gespräch mit dem Auditorium beginnen.
1 »Slideware« bezeichnete ursprünglich Software, die nur als Konzept auf Marketing-Präsentationsfolien existent war. Seit Edward Tuftes Artikel in WIRED 2003 versteht man unter dem Begriff aber Präsentationsprogramme im Allgemeinen. Edward R. Tufte, »Powerpoint Is Evil«, in: WIRED, 11/9 (2003).
2 Steffan Heuer, »Die Revolutionäre des Büro«, in: brand eins, 4/3 (2002).
3 Robert Gaskins, »Powerpoint at 20: Back to Basics«, in: Communications of the ACM, 50/12 (2007).
5 www.apple.com/iwork/keynote/
6 Das Problem ist die Belegung der Schaltknöpfe, die zu den Pfeiltasten der Tastatur inkonsistent ist. Auch muß mit Infrarot-Fernbedienungen auf den Empfänger gezielt werden und nicht auf die Leinwand – ein typischer Fehler, der oft zu beobachten ist.
7 Alan D. Baddeley und Graham J. Hitch entwickelten 1974 die Theorie des »Arbeitsgedächtnisses« als Weiterentwicklung der bis dahin üblichen Vorstellung vom »Kurzzeitgedächtnis« mit beschränkter Kapazität – de.wikipedia.org/wiki/Baddeleys_Arbeitsgedächtnismodell
8 John Sweller, »Visualisation and Instructional Design«, in: Proceedings of the International Workshop on Dynamic Visualizations and Learning, Knowledge Media Research Center, Tübingen 2002, S. 1501-1510.
9 lehrerfortbildung-bw.de/kompetenzen/praes/werkzeuge/tipps.htm
10 Guy Kawasaki, The 10/20/30 Rule of Powerpoint, 2005.
11 Garr Reynolds, Presentation Zen. Simple Ideas on Presentation Design and Delivery, Amsterdam: Addison-Wesley Longman 2008.
12 Der Blog zum Buch: www.presentationzen.com
13 Gaskins, a.a.O.
14 Cliff Atkinson, Beyond Bullet Points: Using Microsoft Powerpoint to Create Presentations That Inform, Motivate, and Inspire, Redmond, WA: Microsoft Press 2005. Die Templates und Beispiele aus dem Buch sind erhältlich unter sociablemedia.com/resources_bookdownloads.php4.
16 Beispielhaft sei hier auf die Angebote der Universität Stanford – itunes.stanford.edu/ – und des MIT OpenCourseWare – ocw.mit.edu/ – verwiesen. Auch in Deutschland gibt es vergleichbare Initiativen, wie das Verbundprojekt der Hamburger Hochschulen auf http://podcampus.de belegt. Das »World Lecture Project« – www.world-lecture-project.org – hat es sich zur Aufgabe gemacht mittels eines kollaborativen Web-Service online verfügbare Vorlesungen zusammen zu tragen.
17 Bei Videos stellt sich das Problem, einen Kommentar nicht unbedingt zu dem gesamten Vortrag abgeben zu wollen, sondern nur zu einer bestimmten Stelle des Vortrags. Der Web-Service Viddler bietet eine elegante Lösung, die ein zeitpunktgenaues Kommentieren ermöglicht: www.viddler.com
18 Cliff Atkinson, Powerpoint Usability: Q&A with Don Norman, 2004.